Herzlich willkommen zur internationalen transdisziplinären Konferenz
Narrative des Umbruchs: Regionale Differenzen der großen Transformation
seit 1989/90
(Deutschland – Baltische Staaten – Polen – Belarus – Russland)
Vilnius, 3 Universiteto St., LT-01513 , Aula Parva
Sprachen: Deutsch, Englisch, Litauisch
Online:
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Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes ist es zu einer überwiegend nachhaltigen liberalen Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in der Region gekommen. Gleichwohl hat der Impuls des „Ausgangs aus der [nicht] selbst verschuldeten Unmündigkeit“ in den wiederentstandenen Nationalstaaten nach anfänglicher Euphorie bis heute unterschiedliche Entwicklungen ausgelöst, die zu teils divergenten Wahrnehmungen und Perspektivierungen historischer bzw. zeitgeschichtlicher politischer Ereignisse geführt hat.
Das betrifft nicht zuletzt auch den in Deutschland v.a. als „Wende“ bezeichneten Umbruch um 1990 selbst, der in allen Bereichen große Transformationsanstrengungen in den späteren NATO- und EU- Beitrittsstaaten nach sich zog (v.a.via acquis communautaire). Die grundsätzlich berechtigte Frage nach den sozialen Kosten der Annäherung bzw. des Beitritts wurde und wird auch von kritischen Narrativen gesellschaftlicher Regression begleitet. Die aus dem Gefühl der Benachteiligung mancher Bevölkerungsteile erwachsenden Ressentiments sind seither zu einem Motor für europakritische bzw. schlicht national-populistische Einstellungen geworden. Diese haben sich nicht nur in einer Neigung zu alternativen Wahrheiten, sondern auch in prekären Veränderungen der Politischen Kultur niedergeschlagen. An den Wahlergebnissen europakritischer bzw. -feindlicher Parteien lässt sich durchaus das gesunkene Prestige „des Westens“ und seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Tradition ablesen.
Die Vorhaben der Tagung sind kurz folgende: 1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Transformationsgeschichte der Region seit 1989 transdisziplinär zu analysieren und zu benennen; 2. Die Wahrnehmung und Bewertung historischer und aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen durch Medien, Politik, Wissenschaft und Kunst zu vergleichen und Gründe für deren Verschiedenheit herauszuarbeiten; 3. Ausgehend von der sozialpsychologischen Wirkweise und sprachlichen Materialität von Narrativen solche Konzepte des Austauschs und der Vermittlung zu diskutieren und zu entwickeln, die a) eine Imprägnierung gegen nationalistisch gefärbte Positionen in Öffentlichkeit, Politik und auch der Wissenschaft in der Region ermöglichen, und b) eine gesprächsweise Annäherung konträrer Positionen erlauben, ohne Kernbestände von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zur Disposition zu stellen.
Zur Tagung eingeladen sind Vortragende aus den Geschichts-, Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, der Medientheorie, der Soziologie, den Literatur- und Sprachwissenschaften; auch Teilnehmern mit Praxiserfahrungen aus verschiedenen nationalen oder europäischen Institutionen.
Die Tagung wird durch Mittel des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland unterstützt.
DISKUSSION (15.10.2021 17.00 Uhr.) / FINAL DISCUSSION 15.10.2021 17.00 (IN ENGLISH)
Das Ende der Transformation?
Die Veränderungen im Vollzug der großen Umwälzung in den postsowjetischen Gesellschaften im
Ostseeraum seit 1989 sind unbestreitbar beeindruckend. Im Zuge des Voranschreitens von
Angleichungs- und Anpassungsprozessen droht der ursprüngliche Impuls zur Adaption des
westlichen Gesellschaftsmodells mancherorts aber zu erlahmen. Im Hintergrund können einerseits
bereits erreichte Erfolge, andererseits eine Erosion der Integrationskraft der Europäischen Union
vermutet werden.
Die Frage nach der Abschließbarkeit der Transformation ist somit im positiven wie im negativen
Sinne adressierbar: als gelungene Integration neuer Mitgliedsstaaten in die EU oder als Gefahr einer
Abkehr politischer Akteure und gesellschaftlicher Gruppierungen von verbleibenden
Herausforderungen und demokratisch-rechtsstaatlichen Prinzipien.
Und weitere Fragen schließen sich an: Wie ist es um die Historizität unserer Epoche bestellt? Welche
Bedeutung kommt einer gemeinsamen europäischen Erinnerung bzw. Geschichtsschreibung zu? Und
welchen Wert stellt das seit 2004 generierte Transformationswissen der ‚neuen‘ EU-Staaten für den
gesamteuropäischen Diskurs dar?
Es diskutieren: Gabrielius Landsbergis, Außenminister der Republik Litauen; Exzellenz Matthias
Sonn, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Litauen; Prof. Dr. Irena Vaišvilaitė, Universität
Vilnius; Prof. Dr. Philip Manow, Universität Bremen. Moderiert von Paulius Gritėnas (Vilnius).
Sprache: Englisch.
At the end of Transformation?
The changes in the course of the great upheaval in the post-Soviet societies in the Baltic Sea region
since 1989 are undeniably impressive. However, in the course of advancing alignment and adjustment
processes, the original impulse to adapt the Western model of society is threatening to slacken in
some places. In the background, on the one hand, successes that have already been achieved and, on
the other, an erosion of the European Union's integrative power can be suspected.
The question of whether the transformation can be completed can thus be addressed in both a positive
and a negative sense: as the successful integration of new member states into the EU or as the danger
of political actors and social groupings turning away from remaining challenges and democratic-legal
principles.
And further questions follow: What about the historicity of our epoch? What is the significance of a
common European memory or historiography? And what is the significance of the transformation
knowledge of the ‘new’ EU states generated since 2004 for the pan-European discourse?
Speakers: Gabrielius Landsbergis, Minister of Foreign Affairs of the Republic of Lithuania;
Excellency Matthias Sonn, Ambassador of the Federal Republic of Germany to Lithuania; Prof. Dr.
Irena Vaišvilaitė, Vilnius University; Prof. Dr. Philip Manow, University of Bremen. Moderated by
Paulius Gritėnas (Vilnius). Language: English.
Das Programm
9:00–10:30 |
9.00 BegrüßungProf. Dr. Rimvydas Petrauskas, Rektor der Universität VilniusMatthias Sonn, Botschafter der Bundesrepublik DeutschlandDr. Mantas Adomėnas, Stellvertretender Außenminister der Republik Litauen
9.30 Gemeinsame Keynote
Prof. Dr. Günther Heydemann (Universität Leipzig), „Ein „reluctant Player?“ Außen- und Sicherheitspolitik nach der Wiedervereinigung Deutschlands“
Prof. Dr. Detlev Brunner (Universität Leipzig), „Wirtschaftliche Transformation und gesellschaftlicher Wandel: Deutschland seit 1990“ |
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10:30–11:00 |
Kaffeepause |
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11:00–12:00 |
11.00 Ministerialrat Achim Hildebrandt (Berlin), „Ein Motor der Transformation? Das Schengen-Abkommen seit 1995“
11.20 Dr. Andris Banka (Universität Greifswald) „So close and yet so far apart: Diverging views regarding the utility of military power in the Baltic Sea region” (Eng.)
11.40 Diskussion
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12:00–13:30 |
Mittagspause
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13:30–15:00 |
13.30 Prof. Dr. Alvydas Nikžentaitis (Litauisches Institut für Geschichte),„Umbruch und Erinnerungskulturen: Polen, Litauen, Deutschland, Belarus im Vergleich”
13.50 Prof. Dr. Csongor Lórincz (Humboldt Universität Berlin), „Literarische Vermessungen des Umbruchs in [Ost-]Mitteleuropa – Bodor, Stasiuk, Herta Müller“
14.10 Dr. Frank Hoffmann (Universität Bochum), „Lachen oder Weinen? Konjunkturen des deutsch-deutschen Vereinigungsdiskurs zwischen Wendewut, Ostalgie und Empowerment Ost.“ (virt.)
14.30 Diskussion |
15:00–15:30 |
Kaffeepause |
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15:30–17:00 |
15.30 Prof. Dr. Philip Manow (Universität Bremen), „Populismus Ost und West – die politischen Ökonomien des Protests in Europa”
15.50 Prof. Dr. Nerija Putinaitė (Universität Vilnius), „Eine Nation im Aufbruch. Opfer-Identität, Sehnsucht nach Exklusivität und imperialistische Träume in Litauen“
16.10 Dr. Jarosław Suchoples (Universität Jyväskylä), „Populism in times of the pandemic. Problems with Polish Covid-19 legislation“
16.30 Diskussion
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17:00–18.00 |
ABENDVORTAGProf. Dr. Ute Frevert (Max-Planck-Institut Berlin): „Das Narrativ der Demütigung: Ostdeutsche Befindlichkeiten“ |
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9:00–10:00 |
Keynote
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10:00–10:30 |
Kaffeepause |
10:30–12:00 |
10.30 Prof. Dr. Danutė Gailienė (Universität VilniusVU) „Historische Traumata und postsowjetische Transformation in Litauen“
10.50 Dr. Felix Ackermann (DHI Warschau) „Der Genozid der anderen. Historische Vergleiche als politisches Instrument in der Belarus der Gegenwart“
11.10 Dr. Monika Kareniauskaite (Universität Vilnius, Litauisches Institut für Geschichte) „Die Transformation des Strafverfolgungssystems: Litauen und Russland / The Transformation of Criminal Prosecution Systems: Lithuania and Russia“ (eng)
11.30 Diskussion
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12:00–13:30 |
Mittagspause
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13:30–15:00 |
13.30 Prof. Dr. Gert-Rüdiger Wegmarshaus (Europa-Universität Viadrina), „Litauen – Ausstieg aus der Kernkraft als Einstieg in die Europäische Union.” (Virt.)
13.50 Dr. Tomoyuki Hashimoto (ISM Vilnius), „Varieties of Capitalism in the Baltics - A view from retail banking“ (eng.)
14.10 Mantvydas Levickis (Vilnius), „Die Geldwäscheprävention in den baltischen Staaten seit 1990“
14.30 Diskussion |
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15:00–15:30 |
Kaffeepause
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15:30–16:30 |
15.30 Prof. Dr. Ireneusz P. Karolewski (Universität Leipzig), „Schleichende Transformation – Institutionen und Narrative des Backslidings in Ostmitteleuropa“
15.50 Dr. Alexander Mionskowski (Universität Vilnius), „Partisanen der Transformation – Narrative des Freund-/Feind-Denkens in den Werken Ingo Schulzes und Kurt Drawerts“
16.10 Diskussion |
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17:00–18:00 |
Abschlussdiskussion „Das Ende der Transformation?“ Es diskutieren: Gabrielius Landsbergis, Außenminister der Republik Litauen; Exzellenz Matthias Sonn, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Litauen; Prof. Dr. Irena Vaišvilaitė, Universität Vilnius; Prof. Dr. Philip Manow, Universität Bremen. Moderiert von Paulius Gritėnas (Vilnius). Sprache: Englisch. |
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